Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

Schere zerschneidet Zettel mit dem Wort Unfair in Un und fair Unlautere Handelspraktiken Quelle: triloks - iStock/ Getty Images Plus via Getty Images

Das Verbot unlauterer Handelspraktiken

Mit der Richtlinie (EU) 2019/633 vom 17. April 2019 ("UTP-Richtlinie") ist erstmals EU-weit ein einheitlicher Mindestschutzstandard zur Bekämpfung von unlauteren Handelspraktiken eingeführt worden. Dadurch sollen solche Praktiken eingedämmt werden, "die mit hoher Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf den Lebensstandard der landwirtschaftlichen Bevölkerung haben".

In Deutschland ist die UTP-Richtlinie durch das Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz ("AgrarOLkG") umgesetzt worden, das am 9. Juni 2021 in Kraft getreten ist.

Unlautere Handelspraktiken

Unlautere Handelspraktiken sind Vertragsklauseln und Verhaltensweisen, die in Geschäftsbeziehungen zwischen großen gewerblichen und behördlichen Nachfragern (Käufern) von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen und umsatzmäßig kleineren Lieferanten als unfair anzusehen und unzulässig sind.

Das AgrarOLkG enthält hierzu einen Katalog bestimmter Handelspraktiken, die im Verhältnis von großen gewerblichen und behördlichen Käufern zu umsatzmäßig kleineren Lieferanten stets als unlauter gelten. Hierzu gehören:

  • Zahlungsziele für verderbliche Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse später als 30 Tage beziehungsweise später als 60 Tage für andere Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse
  • Rücksendung von nicht verkauften Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen, ohne Zahlung des Kaufpreises und der Beseitigungskosten für nicht mehr verwendbare Erzeugnisse
  • Kurzfristige Stornierungen bei verderblichen Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen
  • Beteiligung des Lieferanten an Lagerkosten des Käufers durch Zahlungen oder Preisnachlässe
  • Einseitige Änderungen von Vertragsbedingungen durch den Käufer, zum Beispiel Liefer- und Zahlungsbedingungen, Qualitätsstandards, Preise etc.
  • Übernahme bestimmter Kosten durch den Lieferanten, zum Beispiel infolge unverschuldeter Qualitätsminderungen oder Kundenbeschwerden
  • Zahlungen oder Preisnachlässe für die Kosten der Listung von Erzeugnissen (gilt nicht für Kosten der Listung bei der Markteinführung von Erzeugnissen)
  • Androhung von Vergeltungsmaßnahmen
  • Weigerung, einen mündlich geschlossenen Vertrag in Textform zu bestätigen

Neben diesen stets unlauteren Handelspraktiken gibt es Handelspraktiken, die im Verhältnis zwischen großen gewerblichen und behördlichen Käufern und umsatzmäßig kleineren Lieferanten nur dann zulässig sind, wenn sie zuvor "klar und eindeutig" zwischen den Parteien vereinbart worden sind. Hierzu gehören Zahlungen oder Preisnachlässe für:

  • die Listung von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen bei deren Markteinführung
  • die Vermarktung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse, einschließlich Verkaufsangeboten, der Werbung, Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen sowie der Bereitstellung auf dem Markt
  • das Einrichten von Verkaufsräumlichkeiten

Anwendungsbereich des Verbots unlauterer Handelspraktiken

Das AgrarOLkG verbietet es großen gewerblichen und behördlichen Käufern von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen, das wirtschaftliche Ungleichgewicht im Verhältnis zu ihren umsatzmäßig kleineren Lieferanten durch unlautere Handelspraktiken auszunutzen.

Das Verbot unlauterer Handelspraktiken schützt nicht nur Landwirte, sondern alle Lieferanten von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen, also insbesondere auch Lieferanten der lebensmittelverarbeitenden Industrie. Dem Schutz des AgrarOLkG unterfallen allerdings grundsätzlich nur Lieferanten, die einen Jahresumsatz von höchstens 350 Millionen Euro haben.

Käufer, die dem Verbot unlauterer Handelspraktiken unterliegen, sind neben Lebensmittelhändlern grundsätzlich alle Käufer von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen, soweit sie nicht Verbraucher sind, also auch die nachfragende lebensmittelverarbeitende Industrie. Den Verboten des AgrarOLkG unterliegen allerdings nur Käufer, die einen Jahresumsatz von mehr als 2 Millionen Euro haben.

Das Verbot unlauterer Handelspraktiken gilt zudem nur dann, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Jahresumsatz des Käufers höher ist als der Jahresumsatz des jeweiligen Lieferanten, wobei folgende Pauschalierungen gelten:

StufeJahresumsatz des LieferantenJahresumsatz des Käufers
1bis 2 Mio. Euroüber 2 Mio. Euro
2über 2 Mio. bis 10 Mio. Euroüber 10 Mio. Euro
3über 10 Mio. bis 50 Mio. Euroüber 50 Mio. Euro
450 Mio. bis 150 Mio. Euroüber 150 Mio. Euro
5150 Mio. bis 350 Mio. Euroüber 350 Mio. Euro

Bei der Umsatzberechnung zählt der Jahresumsatz der gesamten Unternehmensgruppe des Lieferanten und insbesondere nicht nur der Umsatz mit Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen. Zur Ermittlung der Umsatzstufe des jeweiligen Geschäftspartners sind sich Lieferanten und Käufer gegenseitig zur Auskunft verpflichtet.

Auch für einkaufende Behörden gilt das Verbot unlauterer Handelspraktiken.

Befristet zunächst bis zum 01. Mai 2025 schützt das Verbot unlauterer Handelspraktiken auch größere, z.B. erzeugergetragene, Unternehmen aus dem Milch- und Fleischbereich sowie aus dem Obst-, Gemüse- und Gartenbaubereich. Erfasst sind Lieferanten von Milch- und Fleischprodukten sowie von Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten; einschließlich Kartoffeln, deren Jahresumsatz nicht mehr als 20 Prozent des Jahresumsatzes des Käufers beträgt. Das gilt jedoch nur dann, wenn die Lieferanten der vorgenannten Produkte einen Jahresumsatz von nicht mehr als 4 Milliarden Euro in dem jeweiligen Verkaufssegment in Deutschland erzielen. Beim Verkauf von Milch-, Fleisch- sowie Obst-, Gemüse und Gartenbauprodukten müssen sich die Vertragspartner über die Höhe ihres jeweiligen Jahresgesamtumsatzes gegenseitig Auskunft geben.

Das Verbot unlauterer Handelspraktiken ist schon dann anwendbar, wenn entweder der Lieferant oder der Käufer seinen Sitz in der Europäischen Union hat.

Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken

Große gewerbliche und behördliche Käufer von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen, die gegenüber umsatzmäßig kleineren Lieferanten unzulässige Vertragsbedingungen verwenden oder sich – unabhängig davon, was im Vertrag vereinbart worden ist – unlauter verhalten, zum Beispiel indem sie

  • geschuldete Zahlungen (Kaufpreise oder Beseitigungskosten) nicht oder nicht rechtzeitig leisten (ohne ein Leistungsverweigerungsrecht zu haben),
  • Leistungen (Lagerkosten, Zahlungen oder Preisnachlässe) fordern, auf die sie mangels wirksamer Vereinbarung keinen Anspruch haben,
  • sich weigern, mündlich abgeschlossene Liefervereinbarungen in Textform zu bestätigen,
  • Geschäftsgeheimnissen ohne Einverständnis des Lieferanten erlangen, nutzen oder offenlegen,
  • Lieferanten, die von ihren vertraglichen / gesetzlichen Rechten Gebrauch machen, Vergeltungsmaßnahmen androhen,

verstoßen gegen ein gesetzliches, bußgeldbewehrtes Verbot.

Die BLE kann solche Verstöße auf Beschwerden von Marktteilnehmern, von Amts wegen oder aufgrund von Amtshilfeersuchen von Durchführungsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten aufgreifen und kann die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung des Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendig sind.

Darüber hinaus kann die BLE Verstöße mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 750.000 Euro ahnden. Die BLE trifft ihre Entscheidungen im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt.

Die BLE kann ihre Entscheidungen und die Namen des jeweils betroffenen Käufers auf ihrer Internetseite veröffentlichen.

Verträge, in denen verbotene unlautere Handelspraktiken enthalten sind, können teilweise unwirksam sein. Große gewerbliche und behördliche Käufer von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen können sich dann gegenüber ihren umsatzmäßig kleineren Lieferanten auf entsprechende Vertragsklauseln nicht berufen. Über die Wirksamkeit von Verträgen entscheiden die Zivilgerichte.

Rechtsschutzmöglichkeiten für Lieferanten

Lieferanten, die von unlauteren Handelspraktiken betroffen sind, können sich mit einer Beschwerde an die BLE wenden. Das gleiche Beschwerderecht haben auf Antrag des Lieferanten auch Zusammenschlüsse, deren Mitglied der Lieferant ist, sowie auf sein Ersuchen Organisationen, die ein berechtigtes Interesse daran haben, den Lieferanten zu vertreten. Solche Organisationen sind beispielsweise rechtsfähige Kreisbauernverbände und andere rechtsfähige Erzeugerverbände auf Landes- oder Bundesebene. Marktstufenübergreifende Vereinigungen (z.B. Branchenverbände) haben dagegen kein Beschwerderecht, weil es ihnen an dem berechtigten Interesse fehlt, (allein) Lieferanten zu vertreten.

Damit die BLE der Beschwerde nachgehen kann, muss in der Beschwerde dargelegt werden, gegen welche verbotenen Handelspraktiken der Käufer gegenüber dem Lieferanten verstoßen haben soll.

Die BLE prüft dann, ob ein Verstoß gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken vorliegt und ob sie hierzu ein Verfahren einleitet. Die BLE hält den Beschwerdeführer über den Stand sowie den Fort- und Ausgang seiner Beschwerde informiert. Leitet die BLE ein Verfahren ein, kann sie weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts anstellen. Kommt sie zu der Überzeugung, dass ein Verstoß gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken vorliegt, trifft sie geeignete Anordnungen, um den Verstoß abzustellen und künftige Verstöße zu verhindern. Darüber hinaus kann sie auch Bußgelder gegen Käufer verhängen, die gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken verstoßen haben.

Neben der Möglichkeit, eine Beschwerde an die BLE zu richten, können Lieferanten, die von unlauteren Handelspraktiken betroffen sind, mit dem Käufer vereinbaren, alternative Streitbeilegungsverfahren einschließlich der Anrufung einer Ombudsstelle zu nutzen.

Darüber hinaus steht den Betroffenen der Zivilrechtsweg offen.

Identitätsschutz und Vertraulichkeit

Die BLE ist sich bewusst, dass Lieferanten, die von unlauteren Handelspraktiken betroffen sind, in der Regel marktstärkeren Käufern gegenüberstehen, von denen sie wirtschaftlich abhängig sind.

Die BLE wird daher die Identität und alle sonstigen Informationen, deren Offenlegung nach Ansicht des von der unlauteren Handelspraktik Betroffenen seinen Interessen schaden würde, schützen. Das AgrarOLkG gibt der BLE hierfür eine rechtliche Grundlage. Erforderlich ist lediglich ein entsprechender Antrag des Beschwerdeführers, in dem er angibt, welche Informationen aus der Beschwerde vertraulich zu behandeln sind.

Kommt die BLE im Einzelfall zu der Überzeugung, dass sie die Untersuchung der Beschwerde nicht abschließen könnte, ohne vertrauliche Informationen des Beschwerdeführers offenzulegen, so teilt sie dies dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann dann über das weitere Vorgehen entscheiden: Stimmt er der Offenlegung der Informationen zu, kann das Verfahren fortgeführt werden; stimmt er nicht zu, so wird es eingestellt.

Fragen Ansprechpartner / Kontakt:

Mit Fragen oder Beschwerden zu unlauteren Handelspraktiken wenden Sie sich bitte an das Team des Referats 516:

Telefon: 0228-6845-3606
Fax: 030-1810 6845-330
E-Mail: 516@ble.de

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung - Referat 516 -
Deichmanns Aue 29
53179 Bonn

Veröffentlichung der Durchsetzungsbehörde

Verbote unlauterer Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette - Tätigkeitsbericht der Durchsetzungsbehörde 2021 (PDF, 752 KB, Nicht barrierefrei)